Elend nur einen Fußmarsch entfernt
Es ist 14 Uhr und unser erstes Volunteermeeting mit der gerade aus Europa zurückgekommenen Heimleiterin ist zu Ende. Die Sonne ist brütend heiß und man fühlt sich schlapp vor Hitze. Carina, Henrike (aus Schweden und DE, beide auf dem Foto) und ich sind zu Fuß unterwegs zu einem ca. 20 Wegminuten entfernten Hügel Richtung Sankonscha. Unsere einheimische Sozialarbeiterin meidet diese Gegend und versichert uns, wenn wir mit dem Auto hinfahren, werden wir es nie wiedersehen. Da ich gerade auf dem Playground ersetzt werden konnte, haben sie mich gefragt, sie als Bodyguard zu begleiten (tja, mal wieder ein neuer Job). Es geht durch das Tal und vorbei an einfachen Hütten, die nur aus gestapelten Steinen und einem löcherigen Wellblechdach bestehen. Sobald uns jemand entgegenkommt, wird das Pfeffer-Spray griffbereit gehalten und freundlich auf isiZulu gegrüßt - eine recht eigenwillige Kombination, die aber durchaus berechtigt ist.
Als wir unser Ziel erreichen, eine einfache einräumige Hütte, finden wir nicht die junge Frau, die wir erwarten zu treffen, sondern nur viele Kinder und nackte Säuglinge, spielend im Staub vor der Hütte. Die einzigen Erwachsenen sind eine alte Frau und ihr Mann, aber sie sprechen kein einziges Wort Englisch, darum ist nach Sabuwona - Gunjani - Niapila (Guten Tag - Wie geht es Ihnen? - Danke, mir geht es gut!) für uns das Gespräch beendet. Wir bitten eines der älteren Mädchen zu übersetzen, dass wir gekommen sind, um nach den Krankheiten der Kleinkinder und "Ringwürmern" der Übrigen zu gucken. Als wir keine wirklich eindeutige Antwort erhalten, entscheidet Carina, zur Tat zu schreiten und sich die Säuglinge anzusehen. Sie geht in die Hütte und findet in dem einzigen Bett einen Säugling, der am ganzen Körper offene Wunden hat und durchgängig weint. Selbst als Krankenschwester kann Carina kaum fassen, was sie sieht, und fragt mit vielen Gesten nach Wasser, um ihn zu waschen und danach einzucremen. Anschließend wird er in ein hartes Handtuch gewickelt, aber es ist das einzige, was verfügbar ist. Er schreit immer noch, wenn auch leiser. Der Kleine wird weitergereicht und landet in meinen Armen, damit die Nächsten versorgt werden können. Es sind erstaunlich wenig Kinder mit Ringwurm dabei, dafür haben jedoch zwei Dreijährige eiterige Beulen überall am Kopf. Wir können sie vorerst nur reinigen und desinfizieren, darum beschließen wir zu versuchen, einen Krankenhaustransport in das nächste staatliche Krankenhaus zu organisieren, wo die Behandlung für arme Familien kostenlos ist. Hoffentlich können wir nächste Woche zum Krankenhaus fahren!
Nach zwei Stunden machen wir uns auf den Rückweg. Ich bin immer noch überwältigt, wie arm die Menschen sind, die in Sichtweite meiner Unterkunft leben. Ich kann jetzt nicht mal mehr böse auf die Einbrecher der letzen Nacht sein, die versucht haben, in das Poolhaus einzudringen, während wir dort schliefen, und durch scharfe Schüsse des Wachmanns vertrieben wurden. Einige dieser Menschen haben wirklich nichts! Sie verhungern vielleicht gerade nicht, aber es ist trotzdem kein Leben, das man sich nur im Entferntesten vorstellen kann. Es ist überhaupt nicht daran zu denken, dass die Kinder zur Schule gehen, denn keiner kann für ihre Schulgebühren aufkommen! (Nun, vielleicht ändert sich zumindest das bald, denn sie sollen in unser Child Sponsorship Programm aufgenommen werden.) Uns wurde dringend davon abgeraten, die Familie am Freitag wieder zu besuchen, da Zahltag war, und es nichts Gefährlicheres als angetrunkene Arbeiter auf dem Heimweg gibt.
Mal sehn, ob ich die Zeit finde, unsere Klinikarbeiterinnen nächste Woche wieder zu begleiten, oder ob ich zu sehr in das Schulferienprogramm eingebunden bin.

linuspithan - 3. Dez, 16:15