Sonntag, 20. August 2006

Sportfest

null
Fanrufe, Geschrei und immer wieder glückliche Gesichter, wenn das
eigene Team Punkte machte. Es war ein bisschen wie am Tag meiner
Ankunft, als ich von glücklichen Kindern umringt und begrüßt wurde.
Jetzt ließen sie sich von mir durch die Luft wirbeln, wenn ihr Team
in Führung lag, oder wollten auf meinen Arm, um mehr zu sehen.
Das war in groben Zügen die Situation am Freitag auf dem
Sportfest der "George-Carto"-Schule in Carto-Ridge. Die "George
Carto" - Schule hat 800 Schüler in den Klassen 1 bis 7 (Klassenstärke
ca. 40 Kinder) und veranstaltete am Freitag so etwas wie bei uns
Bundesjugendspiele. Der große Unterschied war jedoch, dass die
Schüler ab Grade 4 in drei Teams eingeteilt waren, die gegeneinander
antraten. Die Druiker, Impala und Sprin-Boks üben sich in allen
athletischen Standarddisziplinen, während die Jüngeren im 50m-Lauf
und verschiedenen Spielen gegeneinander antraten.

Zu diesem Sportfest waren auch die Eltern der Kinder geladen und da
der Großteil der schulpflichtigen Kinder von GGA auf diese Schule
geht, mussten natürlich auch für "unsere" Kinder Vertreter auf der
"Eltern-Tribüne" sitzen. Da Mike und ich für die Arbeit im Warehouse
(dazu irgendwann mal mehr) eingeteilt waren und es dort nie
sonderlich viel zu tun gibt, sollten wir eigentlich zu zweit zur
Unterstützung "unserer" ca. 30 Kinder antreten. Leider trat Mike am
Donnerstagnachmittag in einen Nagel und musste zum Arzt, was für mich
bedeutete, zum ersten Mal alleine mit Verantwortung außerhalb des GGA-
Geländes unterwegs zu sein. Zum einen war ich erstmals alleine direkt
für meine beiden "Begleiter" verantwortlich - zwei ältere Jungen aus
Phase 5, die eine andere Schule besuchen und gerade schulfrei hatten.
Zum anderen war es für mich aber auch der erste Kontakt zu "normalen"
Südafrikanern, die nichts mit GGA oder Touristen zu tun haben.

Es war auf jeden Fall ein Erlebnis mit vielen Eindrücken. Erst gab es
die Wettkämpfe der Kleineren (Grade 1 to 3) mit 50m Lauf, Eierlauf,
Sackhüpfen und ähnlichen Disziplinen. Dabei wurden mir die deutlichen
Unterschiede zum deutschen Schulwesen klar. Hier geht alles viel viel
autoritärer zu; ich denke, dieser Eindruck wird noch durch die
Schuluniformen verstärkt. Nicht nur, dass die Kinder alle ihre
gleiche blaue Schuluniform tragen, nein, auch für die Zulassung zu dem Sportfest war das Tragen von weißen Shorts und T-Shirts Pflicht.
Danach gab es die Wettkämpfe der älteren Schüler, die in drei
Schulteams eingeteilt gegeneinander antraten. Es war schon
erstaunlich zu sehen und zu hören, wie schnell sich Teamgeist und
Unterstützungs-Gesänge entwickeln. Ich sollte vielleicht erwähnen,
dass es nicht nur Pokale für das Gewinnen der sportlichen Disziplinen
gab, sondern auch für die Kategorie "Behavior", in der das Verhalten
der Teammitglieder und "Fans" während der Wettkämpfe bewertet wurde.
Ich bereite so schnell wie möglich einige Fotos vor und stelle sie
ins Netz, denn daran kann ich die Wettkampfstimmung besser erläutern.

Wie dem auch sei, "meine" Kinder waren in allen Teams vertreten und
ich wurde immer von den vor Jubel tanzenden "Fans" angesprungen und
jubelte mit ihnen, wenn ihr Team gerade Punkte machte. Es muss wohl den Eindruck gemacht haben, als wenn ich alle Kinder kennen würde, die am Sportfest teilnahmen, denn es waren zwar "nur" "meine" 30 Kinder, die
mich hin und wieder umringten, aber es waren eben alles dunkelhäutige
Kinder. Nachdem einige weiße Eltern mich für ungefähr eine Stunde
beobachtet hatten, kam eine der Mütter auf mich zu und fragte mich
ziemlich direkt, warum mich all die "schwarzen" Kinder kennen würden
und warum ich als Weißer mit ihnen spielen und jubeln würde.
Das war der Moment, in dem ich in der Realität Südafrikas angekommen
bin. Bis dahin hatte ich immer nur mit andern Freiwilligen, die alle
aus der Überzeugung zu helfen hier sind, und den Weißen des
Kinderheims zu tun. Doch alle diese Menschen sind hier, um Brücken zur
Zulu-Kultur und den Schwarzafrikanern allgemein zu bauen, sie
verkörpern quasi die Werte der Aufklärung. Auf diesem Sportfest kam
ich nun aber mit ganz anders denkenden Weißen zusammen, von denen ich
eigentlich angenommen hatte, dass sie der Vergangenheit angehören
oder zumindest nicht mehr überall öffentlich in Erscheinung treten.
Nun saß aber diese Mutter neben mir und fragte mich, warum ich mich
mit Schwarzen abgeben würde. Auf eine solche Frage war ich überhaupt
nicht vorbereitet und hatte auch nicht direkt ein kurze, schlagfertige
Antwort parat. So berichtete ich ihr, dass ich als Freiwilliger für
ein Jahr in einem Waisenhaus arbeiten und mit Schwarzen zusammenleben
würde. Diese Tatsache machte sie komplett fassungslos, denn für sie
war es unverständlich, warum man sich als Europäer mit diesen
Schwarzen freiwillig abgeben würde. Sie berichtete dann noch, dass
sie sofort jeden Weg nutze, Südafrika zu verlassen, sofern ihr die
Möglichkeit dazu gegeben würde, denn jetzt wäre es so weit, dass die
Schwarzen die Weißen unterdrücken. Nun ja, die Unterhaltung musste
ich an dieser Stelle abbrechen, da der Wettkampf um war und die
Druiker in Siegesgeheul ausbrachen. Gestern Abend habe ich mit einer
weißen Südafrikanerin von GGA darüber gesprochen und sie meinte nur,
dass es zwar ein paar Gesetze geben würde, die die Schwarzen
eindeutig bevorteilten (z.B. muss ein Schwarzer, der sich auf einen
Arbeitsplatz bewirbt, jedem Weißen vorgezogen werden - ohne auf die
Qualifikation zu achten), aber im allgemeinen war sie mit der
politischen Entwicklung Südafrikas zufrieden. Sie meinte, es sei ja
noch eine sehr junge Demokratie, die sich erst noch überall
durchsetzen müsste, aber sie blickte hoffnungsvoll in die Zukunft.

Die Kinder hier lieben es, mit meiner Digitalkamera selber Fotos zu
machen und sie dann anzuschauen. (Sie kennen eigentlich gar keine
"normalen" Fotoapparate, denn sie wollen immer das Bild sofort auf
der Rückseite sehen) Da ich inzwischen die meisten der GGA- Kinder
einschätzen kann, habe ich auch keine Bedenken, ihnen meinen
Fotoapparat zu geben. Doch genau daraus entwickelte sich für mich die
nächste Überraschung des Sporttages. So kam ein weißer Junge - ich
würde sagen ca. 10 Jahre alt - auf mich zu und gab mir im
vorwurfsvollem Ton zu verstehen, dass ich meine Kamera doch nicht
diesen Schwarzen geben könnte, denn sie würden sie sicher kaputt
machen oder stehlen. Ich glaube, es wird deutlich, dass es noch viele
Probleme, die nur auf der Hautfarbe basieren, zu überwinden gilt. Und
jetzt wird mir erst die Bedeutung von GGA in dieser Beziehung
deutlich, denn allein meine Anwesenheit auf dem Sporttag war ein
eindeutiges, wenn auch kleines Signal zur Überwindung dieser Konflikte.
felixpithan - 21. Aug, 03:43

Rassismus und Klassengesellschaft

Hallo Linus,

was du da über die weissen Südafrikaner berichtet, ist ja echt hart.

Hier in Chile funktioniert die Teilung der Gesellschaft kaum nach Aussehen und Abstammung (mit Ausnahme der Mapuche, die nur in einigen Regionen im Süden einen nennenswerten Teil der Bevölkerung stellen, stammen fast alle Chilenen von Europäern ab), dafür sehr deutlich nach sozialen Klassen.

Zwischen denen gibt es praktisch keinen Kontakt und die Reichen ignorieren die Existenz von Armut praktisch. Aber bisher habe ich noch niemanden getroffen, der so offen abweisend reagiert, wenn man ihm erklärt, dass man eine soziale Arbeit macht. Die Vorstellung, selbst mit den Armen zu arbeiten, ist vielen aus der Oberschicht auch sehr fern und die meisten Jugendlichen der Stadt glauben, sie würden in einem Viertel, in dem wir jeden Tag arbeiten, sofort überfallen und ausgeraubt, wenn sie sich hineintrauen würden.

Trotz alledem sehen alle unsere Arbeit als eine tolle und interessante Sache und beglückwünschen uns zu den Erfahrungen, die wir hier sammeln können.

Ich wünsche dir, dass du es mal schaffst, mit einem richtig üblen Rassisten zu diskutieren - ich fand mein Gespräch mit einem Schüler der Oberschicht über soziale Ungerechtigkeit und die Militärdiktatur sehr spannend, auch wenn der Typ ein Arschloch und seine Position unerträglich war...

Ciao,

Felix

InselReif - 21. Aug, 18:28

halli hallo hallöle

hay hay linus,
ich wollte mich einfach mal bei dir melden und dir viel viel spaß da unten wünschen. hört sich echt toll an, was du da unten machst!! viel glück!!!
auch viele grüße von der restlichen slüttersbande :) (vorallem von till ;) )
Anna

Links

Aktuelle Beiträge

Wieder zu Hause!
So, wieder daheim! Nach sehr, sehr langer Busfahrt...
linuspithan - 10. Aug, 11:09
Bye-bye & Bonjour
Gerade sitze ich mit meinem Laptop in der Mitte von...
linuspithan - 3. Aug, 17:59
Shetland Islands
Hallo aus dem hohen Norden! Nach einer Nacht auf der...
linuspithan - 17. Jul, 12:43
Tourleben
Das Leben auf Tour kann ganz schön anstrengend sein...
linuspithan - 11. Jul, 02:02
Ein paar Tage in London
Auch wenn am Freitagmorgen einige Bomben hier in London...
linuspithan - 3. Jul, 16:11

User Status

Du bist nicht angemeldet.

Web Counter-Modul

Suche

 

Status

Online seit 6840 Tagen
Zuletzt aktualisiert: 10. Aug, 11:09

Credits


Profil
Abmelden
Weblog abonnieren